Interview mit Darja Janus und Tanja Kirsch
Stabsstelle „Bildungskoordination für Neuzugewanderte" im Kreis Bergstraße
Im April 2017 wurde im Kreis Bergstraße die Stabsstelle „Bildungskoordination für Neuzugewanderte“ im Rahmen des gleichnamigen Förderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingerichtet. Durch den damals starken Zuzug von Geflüchteten standen Kommunen vor der Herausforderung, die Neuankömmlinge beim Einstieg in Kita, Schule und Beruf durch Orientierungs- und Beratungsangebote zu unterstützen. Dazu mussten die beteiligten Akteur*innen zusammengebracht, vorhandene Maßnahmen abgestimmt und neue Angebote passgenau ins Leben gerufen werden. Das Förderprogramm ermöglichte die Schaffung der Stabsstelle, die diese Aufgabe übernahm.
Von April 2017 bis März 2019 (1. Förderphase) bekleideten Frau Maria Lauxen-Ulbrich und Frau Viktoriya Ordikhovska die Stelle und im April 2019 (2. Förderphase) übernahmen Frau Darja Janus und Frau Tanja Kirsch im Kreis Bergstraße diese Aufgabe. Nach der der 2. Förderphase Ende März 2021 wurde die Stelle mit den beiden Mitarbeiterinnen, Frau Janus und Frau Kirsch, verstetigt. Denn Bildung hat im Kreis Bergstraße einen großen Stellenwert. So ist es der Stabsstelle möglich, ihren Auftrag, die im Bereich Bildung beteiligten Akteur*innen zu vernetzen und Bildung als Querschnittsaufgabe zu etablieren, fortzuführen.
Frau Janus, Frau Kirsch, Sie sind seit April 2019 Koordinatorinnen der Stabstelle Bildung für Neuzugewanderte im Kreis Bergstraße. Was genau sind Ihre Aufgaben insbesondere im Kontext Fachkräfteeinwanderung bzw. internationale Fachkräfte?
Darja Janus & Tanja Kirsch: Die Stabsstelle Bildungskoordination für Neuzugewanderte dient als „Lotsin“ für Integration durch Bildung im Kreis Bergstraße. Denn die gute Nachricht ist, dass das Bildungsangebot für Neuzugewanderte im Kreis Bergstraße sehr vielfältig ist. Es gibt zahlreiche Akteur*innen, die Neuzugewanderte im Bereich Arbeit und Beruf unterstützen. Das macht es aber auch sehr schwer, den Überblick zu behalten und das passende Angebot zu finden. Einer unserer Schwerpunkte ist es, Erwachsenen mögliche Qualifizierungswege aufzuzeigen, damit die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Dazu gehört auch die Gruppe der ausländischen Fachkräfte. Denn von der langfristigen und qualifikationsadäquaten Integration von internationalen Fachkräften in den Arbeitsmarkt profitieren sowohl Neuzugewanderte als auch die Gesellschaft gleichermaßen.
Wir haben uns in den vergangenen Jahren einen Überblick über die Angebote verschafft und die Informationen aufbereitet. Die Informationen zu Bildungsangeboten stellen wir Ratsuchenden und Bildungsakteur*innen, Mulitplikator*innen sowie Beratungskräften zur Verfügung.
In diesem Zusammenhang haben wir gemeinsam mit der Mobilen Anerkennungsberatung (MoAB/INBAS GmbH) des IQ Landesnetzwerk Hessens Informationsveranstaltungen und Projekte durchgeführt. So wurde der Berater Herr Sayan von MoAB unter anderem eingeladen, sein Beratungsangebot in einem Videointerview vorzustellen und zu erläutern, bei welchen Fragen er – auch während der Pandemie – unterstützen kann, wie seine Beratung abläuft und welche Tipps er für Ratsuchende hat. Auf der Homepage des Kreises Bergstraße haben wir die Bildungsangebote für Neuzugewanderte und unsere Veröffentlichungen dargestellt.
Die Bildungskoordination bietet selbst keine Beratung für Ratsuchende an, sondern bringt Akteur*innen zusammen, damit sie ihr Wissen teilen und voneinander profitieren können. So wird vermieden, dass Parallelstrukturen entstehen. Auf diese Weise entsteht eine Bildungslandschaft, die dazu beiträgt, dass Neuzugewanderten das passende Angebot finden, damit die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt.
Sie arbeiten bereits seit einigen Jahren mit der mobilen Anerkennungsberatung (MoAB) des IQ Netzwerks Hessen zusammen. Wie haben Sie die Zusammenarbeit empfunden? Wie konnten sie von dem Angebot profitieren? Inwiefern hat die mobile Anerkennungsberatung (MoAB) Sie im Kontext der Fachkräfteeinwanderung weitergebracht?
Darja Janus & Tanja Kirsch: Die Frage, ob und wie ausländische Fachkräfte in ihrem erlernten Beruf in Deutschland arbeiten können, war während der ersten Förderphase und nach dem Zuzug von vielen Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016 sehr wichtig. Das IQ Hessen Projekt mobile Anerkennungsberatung (MoAB) hat hier eine wichtige Angebotslücke im Kreis Bergstraße geschlossen.
Die damalige Bildungskoordinatorin, Frau Lauxen-Ulbrich, hatte sich dem Arbeitsschwerpunkt Arbeitsmarkt angenommen und in Kooperation mit dem Anerkennungsberater Herr Sayan Informationen für die Praxis zur Anerkennung und Gleichwertigkeitsfeststellung ausländischer Abschlüsse zur Verfügung gestellt. Für die Beratungsstellen im Kreis, die zum Teil zum ersten Mal mit Fragen dieser Art konfrontiert waren, war das ausgesprochen hilfreich.
Die Frage ist jedoch noch immer aktuell, da in den vergangenen Jahren auch zahlreiche Menschen aus Osteuropa nach Deutschland gekommen sind und viele Geflüchtete ihre Familien nachholen konnten. Daher freute uns die Resonanz auf die Online-Veranstaltung zu Angeboten für ausländische Fachkräfte, die wir im November 2021 zusammen mit der mobilen Anerkennungsberatung (MoAB) und der Agentur für Arbeit angeboten haben, um über zentrale Akteure und Anlaufstellen zu informieren.
Inzwischen hat sich die Zusammenarbeit zwischen dem IQ Projekt und den Beratungsstellen im Kreis Bergstraße fest etabliert. Die Beratungsstellen verweisen Neuzugewanderte, die ihre ausländischen Zertifikate anerkennen lassen wollen, auf das Angebot der IQ Anerkennungsberatung. Diese hat sich als wichtige Anlaufstelle für ausländische Fachkräfte im Kreis Bergstraße bewährt. Denn die fehlende Vergleichbarkeit ausländischer Berufsqualifikationen erschwert oftmals die Integration von Personen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in den deutschen Arbeitsmarkt. Hier leistet MoAB wichtige Arbeit. Das IAB stellt in einem IAB-Kurzbericht im Februar 2021 fest, dass die Anerkennung im Ausland erworbener beruflicher Abschlüsse die Beschäftigungschancen deutlich erhöhen.
Eine große Stärke von MoAB ist unserer Ansicht nach, dass im persönlichen Beratungsgespräch auf die individuelle Situation der Person eingegangen werden kann. Im Beratungsgespräch hilft MoAB den Ratsuchenden sich ihre beruflichen Stärken und Kompetenzen bewusst zu machen. Auch der niedrigschwellige und unkomplizierte Zugang macht es für Ratsuchende einfach, aktiv zu werden und mit Hilfe von MoAB ihre berufliche Zukunft in die Hand zu nehmen.
Welche Rolle spielt Fachkräftesicherung und -anwerbung im Kreis Bergstraße? Wo sehen Sie Chancen für den Kreis Bergstraße?
Darja Janus & Tanja Kirsch: Der Fachkräftemangel ist auch im Kreis Bergstraße ein drängendes Problem und die Corona-Pandemie hat das Problem zum Teil noch verstärkt.
Das setzt Unternehmen und damit auch die gesamte Wirtschaft vor Herausforderungen und verleiht der Frage nach Möglichkeiten der Fachkräftesicherung- und -anwerbung zusätzliches Gewicht. Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen und ein einfacherer Zuzug von Fachkräften durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Was waren oder sind die größten Herausforderungen bei der Integration von internationalen Fachkräften im Kreis Bergstraße? Gelingt es Neuzugewanderten mit Hilfe des Fachwissens von MoAB und des IQ Netzwerks Hessen Anschluss zu finden?
Darja Janus & Tanja Kirsch: Auch wenn die Einwanderung von ausländischen Fachkräften mit Hilfe des FEG erleichtert wurde, heißt das noch lange nicht, dass es sich um einen einfachen Prozess handelt. Die Einwanderung und Integration von Fachkräften in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft bleibt in Deutschland weiterhin ein langwieriger und komplexer Prozess. Die Vielzahl an Regularien können sowohl Arbeitgeber*innen als auch Beratungsstellen und natürlich die Migrant*innen selbst überfordern. Projekte wie MoAB sind daher oft entscheidend bei der Frage, ob jemand auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fasst oder nicht. Auch finden wir die Arbeit der IQ Informationsstellen Fachkräfteeinwanderung sehr wichtig, da sie den regionalen Akteur*innen eine Plattform zur Vernetzung und Austausch bieten. So können individuelle Lösungswege entwickelt werden.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Janus und Frau Kirsch. Wir freuen uns, wenn wir Sie mit den Angeboten des IQ Netzwerks Hessen auch in Zukunft unterstützen können.
Das Interview führte der Anerkennungsberater Cafer Sayan von der „Mobilen Anerkennungsberatung" des IQ Netzwerks Hessen bei INBAS im März 2022.
Sie arbeiten auch in der Bildungskoordination mit Neuzugewanderten und haben Fragen zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen? Sprechen Sie uns an! Unsere Expert*innen der IQ Anerkennungsberatung sind für Sie da.
Sie sind Arbeitgeber*in, möchten eine Fachkraft aus einem Drittstaat beschäftigen, und haben Fragen rund um die Einwanderung und Integration in den Betrieb? Unsere IQ Informationsstellen Fachkräfteeinwanderung beraten Sie gerne.