Interview mit Andreas Maletzke
Handwerkskammer Wiesbaden
Andreas Maletzke leitet bei der Handwerkskammer Wiesbaden die Abteilung Ausbildung, Lehrlingsrolle und Gesellenprüfungen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Anerkennungsgesetz bzw. BQFG) am 1. April 2012 bearbeitet er in seinem Kammerbezirk sämtliche Anfragen und Anträge zur Anerkennung ausländischer Handwerksabschlüsse. Im Interview spricht er u.a. darüber, welche handwerklichen Berufe in Hessen besonders gefragt sind und wie Anerkennungssuchende aus Drittstaaten bei Schwierigkeiten im Anerkennungsprozess unterstützt werden.
Herr Maletzke, welche Rolle und Funktion nehmen Sie bei der Handwerkskammer Wiesbaden ein?
Andreas Maletzke: Bei der Handwerkskammer Wiesbaden leite ich die Abteilung Ausbildung, Lehrlingsrolle und Gesellenprüfungen. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Anerkennungsgesetz bzw. BQFG) am 1. April 2012 bearbeite ich für unseren Kammerbezirk auch sämtliche Anfragen und Anträge zur Anerkennung ausländischer Handwerksabschlüsse.
Welche handwerklichen Berufe sind in Hessen wegen des Fachkräftemangels besonders gefragt und zu welchen Bereichen/ Berufen gibt es die meisten Anträge auf Anerkennung?
Andreas Maletzke: Der Fachkräftemangel zieht sich eigentlich durch alle Gewerke. Um die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen, werden aber insbesondere bei den Bau- und Ausbaugewerken vermehrt Fachkräfte gesucht. Dies betrifft vor allem die Berufe Elektroniker*in (Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik) und Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Aber auch im hessischen Kraftfahrzeuggewerbe gibt es einen großen Bedarf an Fachkräften, auch vor dem Hintergrund der Elektromobilität. Die Nachfrage spiegelt sich auch in den Anträgen auf Gleichwertigkeitsfeststellung wieder, denn hier liegen die Berufe Elektroniker*in, Kraftfahrzeugmechatroniker*in und Anlagenmechaniker*in auf den vorderen Plätzen. Die meisten Anfragen gibt es im Beruf Friseur*in. In diesem Beruf möchten sich auch die meisten Antragsteller*innen mit einem eigenen Salon selbständig machen.
Inwiefern haben Anerkennungssuchende aus Drittstaaten mit größeren Schwierigkeiten bei der Anerkennung zu rechnen und wie werden diese unterstützt?
Andreas Maletzke: Für die Anerkennung spielen Kenntnisse der deutschen Sprache an sich erst einmal keine Rolle. Allerdings benötigen Anerkennungssuchende aus Drittstaaten im Falle einer nur teilweisen Anerkennung eine Qualifizierungsempfehlung, wie sie die volle Gleichwertigkeit erreichen können. In dieser Situation gewinnen die Sprachkenntnisse dann eine besondere Bedeutung, denn einen bestimmten Qualifizierungskurs in den Berufsbildungs- und Technologiezentren des Handwerks wird man nur mit Erfolg besuchen können, wenn man über entsprechende Deutschkenntnisse verfügt. Insoweit ist das rechtzeitige Erlernen der deutschen Sprache – insbesondere der berufsbezogenen Fachbegriffe – von großer Bedeutung. Die Auswahl geeigneter Sprachkurse ist nicht immer einfach, denn die Bedürfnisse der einzelnen Antragstellenden sind sehr unterschiedlich. Die Handwerkskammer Wiesbaden kooperiert aber mit zahlreichen Netzwerken z.B. dem IQ Netzwerk Hessen, insbesondere mit der Anerkennungsberatung Wiesbaden, und mit Hilfe unserer Kooperationspartner versuchen wir die Antragstellenden bei der Suche nach einem geeigneten Sprachanbieter bestmöglich zu unterstützen. Auch die Willkommenslotsin Anja Kloos, die sich in unserer Kammer um die Integration von Geflüchteten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt kümmert, kann hier ihre Erfahrungen einbringen.
Ist den Betrieben die Möglichkeit des Deutscherwerbs im Rahmen der Berufssprachkurse des BAMF bekannt und wird diese genutzt? Inwieweit sind Betriebe bereit, den Deutscherwerb durch Freistellung/Kostenübernahme zu unterstützen?
Andreas Maletzke: Ob den Betrieben die Möglichkeit des Deutscherwerbs im Rahmen der Berufssprachkurse des BAMF bekannt ist und ob diese genutzt wird, können wir nicht mit letzter Sicherheit sagen. In den Beratungen durch unsere Willkommenslotsin und unsere Netzwerkpartner*innen wird auf diese Möglichkeit aber hingewiesen. Inwieweit unsere Betriebe den Deutscherwerb durch Freistellung und Kostenübernahme unterstützen ist uns leider nicht bekannt.
Wie hoch schätzen Sie die Bereitschaft der Betriebe ein, im Rahmen des Anerkennungsverfahrens Anpassungsqualifizierungen für Mitarbeitende oder Bewerber*innen durchzuführen und/oder zu unterstützen (finanziell/Freistellung)? Gibt es Branchen, die hierfür eine besondere Bereitschaft zeigen?
Andreas Maletzke: Nach unserer Beobachtung haben Betriebe ein großes Interesse daran, ihre Mitarbeitenden im Anerkennungsverfahren auf dem Weg zu einer vollen Gleichwertigkeit zu unterstützen. Eine besondere Bereitschaft konnten wir bei Betrieben des Elektrotechnikerhandwerks, dem Installateur und Heizungsbauer-Handwerk und dem Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk beobachten.
Was empfehlen Sie Ratsuchenden, die wenig oder keine Berufserfahrung haben oder deren Abschluss lange zurückliegt und die ein Anerkennungsverfahren anstreben?
Andreas Maletzke: Liegt die Ausbildung schon lange zurück und wurde seitdem nicht mehr in dem erlernten Beruf gearbeitet, raten wir von einem Anerkennungsverfahren ab. Die Ausbildungsordnungen orientieren sich immer am jeweiligen Stand der Technik und werden immer an diesen angepasst. Geprüft wird immer anhand der derzeit aktuellen deutschen Referenzqualifikation. Das heißt, wer z.B. vor 10 Jahren eine Ausbildung im Kraftfahrzeugtechniker-Handwerk absolviert und seitdem nicht mehr in seinem Beruf gearbeitet hat, der kann – sofern das Wissen überhaupt noch präsent ist – nicht über das Know-How verfügen, welches heute in diesem Beruf verlangt wird. Da ich schon seit dem Inkrafttreten des Anerkennungsgesetztes im April 2012 diese Verfahren begleite und die Anträge bearbeite, hat die Erfahrung gezeigt, dass keine oder nur wenig Berufserfahrung immer nur zu einer Teilanerkennung führen. Um eine volle Anerkennung zu erreichen muss dieser Personenkreis dann sehr viele Qualifizierungsmaßnahmen durchlaufen, so dass es meist sinnvoller ist, in Deutschland erneut eine Ausbildung zu absolvieren. Man darf in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass Ausbildungen im Ausland meistens rein schulisch organisiert sind, d.h. die Auszubildenden haben dort nicht den Praxisbezug, wie hier in Deutschland.
Vielen Dank für das Interview, Herr Maletzke. Wir freuen uns, wenn wir Sie mit den Angeboten des IQ Netzwerks Hessen auch in Zukunft unterstützen können.
Das Interview führte die Koordination des IQ Landesnetzwerks Hessen mit dem IQ Projekt der Anerkennungsberatung Wiesbaden im Dezember 2022.
Sie arbeiten auch in der Handwerkskammer und haben Fragen zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen? Sprechen Sie uns an! Unsere Expert*innen der IQ Anerkennungsberatung sind für Sie da.
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