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Arbeitgeberin fordert eine halbe Millionen Euro. Ein Fallbeispiel aus der Beratungspraxis von Faire Integration Hessen

Das IQ Projekt Faire Integration informiert und berät Geflüchtete und andere Migrant*innen, die nicht aus der EU kommen, zu ihren Rechten und Pflichten als Arbeitnehmer*innen. Bei Bedarf unterstützt das Projekt auch dabei, die eigenen Rechte einzufordern. Wie Faire Integration Hessen Ratsuchende bei Problemen im Job begleitet, zeigt ein Fallbeispiel aus der Beratungspraxis.

Eine Frau aus Afghanistan hat im Februar 2020 die Beratungsstelle von Faire Integration in Kassel aufgesucht. Sie arbeitete als Pflegehilfskraft im Schichtdienst und betreute Senior*innen in einem Pflegeheim. Wenn sie Spätdienst hatte, dann kümmerte sich die 11-jährige Tochter um die beiden jüngeren Geschwister. Die Arbeitgeberin hatte ihr zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag für den Zeitraum vom 15. Juni 2018 bis zum 14. Juni 2019 gegeben. Die Bundesagentur für Arbeit hatte der Ratsuchenden eine Beschäftigungserlaubnis bis zum 14. Juni 2019 erteilt. Kurz bevor der Arbeitsvertrag endete, teilte die Arbeitgeberin der Frau mit, dass das befristete Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übergeleitet wird.

Acht Monate später, am 13. Februar 2020, erhielt die Ratsuchende von ihrer Arbeitgeberin die Nachricht, dass sie seit fast einem Jahr ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt ist. Das Zollamt Kassel hatte das Unternehmen überprüft und dabei festgestellt, dass im Fall der Ratsuchenden keine gültige Arbeitserlaubnis vorlag. Die Arbeitgeberin beklagte sich bei der Ratsuchenden, dass sie nun wegen Förderung von Schwarzarbeit eine halbe Million Euro Strafe zahlen muss. Die Arbeitgeberin verlangte von der Frau, dass sie diese Strafzahlung durch zusätzliche Arbeitsstunden begleicht. Auch der Zoll meldete sich bei der Frau. Er schickte ihr einen Brief und bestellte sie zu einer Anhörung.

In der Beratungsstelle von Faire Integration wurde die Ratsuchende umfassend über ihre Rechte informiert. Sie hatte nur geringe Deutschkenntnisse und war auch nicht mit den deutschen Gesetzen vertraut, die den Arbeitsmarkt regeln. Sie ging davon aus, dass durch den unbefristeten Arbeitsvertrag auch ihre Arbeitserlaubnis verlängert worden sei und die Arbeitgeberin sich schon darum gekümmert hat. Die Beraterin von Faire Integration informierte die Frau darüber, dass es Aufgabe der Arbeitgeberin ist zu prüfen, ob eine gültige Aufenthaltserlaubnis vorliegt. Daher muss auch die Arbeitgeberin die Strafe zahlen. Die Beraterin erklärte der Frau, dass die Strafe auf keinen Fall eine halbe Millionen Euro sein kann, denn in diesem Bereich liegen die Höchststrafen.

Die Beraterin von Faire Integration hat in diesem Fall folgende Strategie verfolgt: Sie hat einen Termin mit der Ausländerbehörde vereinbart, in dem eine formelle und offizielle Verlängerung bzw. Gestattung der Arbeitserlaubnis besprochen wurde. Anschließend hat die Beraterin den ausgefüllten Anhörungsbogen an dem Zoll geschickt. Sie hat für die Ratsuchende mit dem Sozialamt und auch mit der Arbeitgeberin gesprochen. Auch bei der Suche nach einer Anwält*in unterstützte Faire Integration die Frau. Diese Suche war nicht einfach. Mehrere Anwält*innen lehnten die Vertretung der Ratsuchenden mit der Begründung ab, dass sie keine Mandant*innen mit geringem Einkommen wollen. Andere sagten, sie vertreten nur Arbeitgeber*innen. Diese Ablehnung war nicht neu für die Beratungsstelle von Faire Integration in Hessen.

Zum Gerichtsverfahren kam es letztlich nicht. Es stellte sich schließlich heraus, dass die Strafe nur einige hundert Euro beträgt. Sie wurde allein von der Arbeitgeberin geleistet. Die Ratsuchende arbeitet bis heute in dem Seniorenheim.

Sie möchten mehr über Faire Integration Hessen erfahren? Die Kontaktdaten unserer Berater*innen und weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier:

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Das Fallbeispiel aus der Beratung finden Sie auch auf der Facebook-Seite von Faire Integration auf Facebook.

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